Die Farbe Weiß
(Rafael Alberti)
Weiß
I
Es sprach das Weiß: Ich kann
glückselig sein in allem, denn ich bin
das Blut, unumgänglich für das wahre
Leuchten des Lichtes in den Farben.
II
Meine Geschichte, uralt, ist die Wand. Willst du erstaunen vor mir;
erquick die Augen an ihrer gespannten Stirn.
III
Das erstaunliche verblüffende Säulen-Weiß.
IV
Weiß von Kreta, gedämpft und warm,
reflektierend und bläulich fast.
V
Weiß wie Schnee, weiß wie
Papier, weiß weiß
wie der Kalk in der Sonne
der stillen andalusischen Mauern.
VI
Ich-Rafael Alberti-sah
im landläufigen Weiß des Volkes:das Licht.
VII
Meine Kindheit war ein Geviert
aus frischem Kalk, lebendigem Kalk
mit meinem einsam fröhlichen
Schatten.
VIII
Weißes Silber-Cadiz in meiner
Erinnerung.
IX
Ich bin des allerrreinsten Kalks Geschöpf.
X
Ich fürchte das Schwarz.Es fürchtet
das Schwarz sich vor mir. Die Nacht
hat Furcht vor dem Tag.
Der Tag vor der Nacht.
XI
Wenn mich der Pinsel erwählt, erschaure ich wie des Auges Kristall, das ein unsichtbares verirrtes Haar berührt.
XII
Unter den Farben bin ich der beste Maurer.
XIII
Eine Zeile auf mir,
eine Letter: Ein unvergeßliches Wunder!
XIV
Eine Zeile, ein Buchstabe,
mit weißer Kreide ein Strich nur
auf der glatten stummen Nächtlichkeit
der Schiefertafeln.
XV
Ich singe vor allem im lichten
Anfangsgrün des Frühlings.
XVI
Morgengebet:
Verleih mir die Gnade,
Fra Angelicpos Blau himmlischer noch zu machen
und in noch zarterer Blässe sein Rosa.
XVII
Und plötzlich gleite ich nieder als Gewand oder Wolke.
XVIII
Zuweilen bin ich des Füllensschwingende Wölbung
gegen das grenzenlose Blau.
XIV
Jener-Ucello-alter Vogel,
gestorben im Spinnennetz der Perspektive,
ließ mich hervorbrechen in Pferdegestalt.
XX
Und herrlicher noch und mehr als Architektur:
Piero della Francesca.
XXI
Wogenschaum, hinrasender.
XXII
Decke bin ich, Morgendämmern, schneeiges Spitzenwerk im Kristall des Frostes.
XXIII
Und auf mancher Leinwand flüchtige
weiße Taube.
XXIV
Gespinst des willfährigen Gürtels der Venus,
Bettuch für die Formung ihrer Gestalt.
XXV
Hauben-Weiß, straffgeschnitten,
bäuerliches Schnee-Weiß Breughels.
XXVI
Gespenster-Weiß, Weiß der Verzückung.
XXVII
Halskrausen-Weiß, weiße Flamme El- Greco.
XXVIII
Ich erscheine im Traum als Ordenskleid,
als Elfenbeinschatten
von Schüssel-Zurbaran-, Kutte oder Mönch.
XXIX
Immer bereit, des Schattens
verborgene Mitte zu treffen.
XXX
Am Ende werde ich das üppige Gold durchdringen
die überquellende Schlehe jenes Haars.
XXXI
Ich durchsonne, helle auf, ich trübe,
löse auf, mache transparent,
ich wasche fort, verfLüchtige, verdunste
(Manet, Sisley, Monet, Pissaro, Renoir....)
XXXII
Renes absolutes Weiß, gefangen aber,
in einem Rechteck, einem Quadrat, in einem Kreis.
XXXIII
Denkt daran, dass ich auch Rose bin.
(übertragen von Erich Arendt und Katja Hayek-Arendt, planetlyrik.de)
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