Warum
abstrakte Kunst?
Der Begriff Abstraktion stammt aus dem Lateinischen abstrahere, und
bedeutet „loslösen“ oder „wegnehmen“. Abstraktion in der Kunst intendiert also ein sich Lösen von der Wiedergabe der Welt der
Gegenstände und ein sich Zuwenden zur geistigen Welt, dem Visionären und der Selbstreflexion .
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wandte sich eine Gruppe von Künstlern
von der Gegenständlichkeit und der mimetischen Kunsttradition ab. Von
metaphysischen, kosmologischen, musikalischen und naturwissenschaftlichen
Inspirationsquellen geleitet, ging es darum, spirituelle oder theosophische Konzepte,
die „innere“ Welt, d.h. die unsichtbare Gefühlswelt, sowie das selbstreferentielles Nachdenken über
das eigene Tun darzustellen. Zu diesen
Künstlern gehörten u.a. Robert Delaunay, Hilma af Klint, Kasimir
Malewitsch, Piet Mondrian und Wassily Kandinsky.
Kandinsky, Auf hellem Grund 1916, Depot Centre Georges Pompidou, Paris
Die von Paris ausgehenden abstrakten Tendenzen
waren bedeutend für die Entwicklung der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts in
Europa.
Robert Delaunay, Rythme, Joie de vivre, (Rhytmus, Lebensfreude), 1930, Centre Pompidou
Die Maler des Blauen Reiters setzten sich intensiv
mit dem Werk Delaunays auseinander und rezipierten seine
Wirklichkeitsauffassung. Darunter beispielsweise Paul Klee, Franz Marc, August Macke,
die sich in unterschiedlicher Weise der Abstraktion öffneten.
Paul Klee, Flugplatz, 1925, Centre Pompidou Metz
Mit seiner 1911 erschienenen Schrift “über das
Geistige in der Kunst“ verfasste Kandinsky eine erste Programmatik der Abstrakten Kunst.
Kandinsky war ein Mensch des Geistes, der mithilfe
seines Denkens und Fühlens etwas grundlegend Neues begann. Die figurative Malerei, die Malerei
der Nachahmung war ausgereizt, sie fortzusetzen würde nur bedeuten
mehr vom Gleichen zu variieren.
Neue Ausdrucksmöglichkeiten mussten gefunden
werden. Kandinsky fügte Begriffe zusammen, die zuvor nur separat gedacht wurden . Der Intellekt stand nun nicht mehr im Widerspruch zur Intuition, das präzise
Wissen nicht zur reinen Inspiration. Raffinement und Sublimierung vereinigten
sich mit Kraft.
In seiner Kunst offenbart sich das Gefühl von Freude, vom
Durchbruch ins Unbekannte. Das Geistige in der
Kunst war für Kandinsky eine sinnlich erfahrbare innere Realität.
(nach
Vasilij,Rakitin, Zwischen Himmel und Erde oder wie befreit man das
Rationale in: Katalog zur Ausstellung ,
W. Kandinsky, die erste sowjetische Retrospektive 1989, Schirn Kunsthalle
Frankfurt, S. 81)
Der Punkt wird bei Kandinsky als Impuls angesehen,
als der Urimpuls in Analogie zur göttlichen Erschaffung der Welt. Der Punkt
kann sowohl zu einem Kreis als auch zu einem Fleck werden.
Die innere Welt wird dem Kosmos gleichgesetzt, der
vieldimensionale Raum erscheint als ein aus dem Weltall gesehenes Bild.
Kandinsky stellte sich die Entstehung eines Werkes
wie die Entstehung der Welt vor durch einen Schöpfungsakt, durch eine
Katastrophe, durch ein Wunder und obwohl die Ziele der Kunst und die Ziele der
Natur in vielem auseinanderklaffen, gelten die allgemeinen Gesetze der
Schöpfung sowohl für die eine wie als für die andere.
(nach D.V.Sarabjanov, W. Kandinsky, Künstler und
Bürger Europas, in: Katalog zur Ausstellung
, W. Kandinsky, die erste sowjetische Retrospektive 1989, Schirn
Kunsthalle Frankfurt, S. 30)
Der abstrakte Maler bekommt seine Anregungen nicht von einem
x-beliebigen Stück Natur, sondern von der Natur im Ganzen, von ihren
mannigfaltigsten Manifestationen, die sich in ihm manifestieren und zum Werk
führen.
(Kandinsky, Essays über Kunst und Künstler, hrsg. von Max Bill, Neuilly 1955 zitiert nach D.V.Sarabjanov ).
Auch der dem Abstrakten Expressionismus
zugerechnete Maler Jackson
Pollock wurde stark von Kandinsky inspiriert:(Kandinsky, Essays über Kunst und Künstler, hrsg. von Max Bill, Neuilly 1955 zitiert nach D.V.Sarabjanov ).
Nichts dem Zufall überlassen, kein Chaos (no,
chaos, damn!), der Unauslotbarkeit eines reichen Innenlebens in der Kunst ein Spiegelbild machen.
(„painting is a state of being,
painting is selfdiscovery. Every good artist paints what he is,“ 1980 s in an
interview (1956), published in Vonversations with artists by Seldom Rodman, New
York, Capricorn Books, 1961, p. 84-85)
So sah Pollock es als ein
Kompliment an, als ein Kritiker monierte, daß seine Bilder weder
Anfang noch Ende hätten. Gegenüber dem Maler Hans Hofmann erklärte er, daß
er nicht nach der Natur arbeiten müsse, da er selbst Natur sei, daß er sich mit den Rhythmen
der Natur befasse und von innen nach außen arbeite wie die Natur.
Phobegriffsphoreszenz, 1947, 111,7 x66 cm, Addison Gallery of American Art, Philipps Academy
Der Begriff Informelle Kunst wurde
erstmals von dem Kunstkritiker Michel Tapié verwendet. Informel leitet sich vom Französischen l’informe,
dem Unförmigen, ab. Damit bezeichnet man die Formlosigkeit der Farbflecken,
Farbschlieren, mit denen die Bilder gestaltet wurden (auch lyrische Abstraktion in Verbindung mit der École de Paris 2 benannt). Das Charakteristikum dieser Kunst ist der spontane, gestische Malakt, der sich durch die impulsive Rhythmik von Farbflecken und Linien definiert.
Diese Manier, bzw. dieser Stil bildete sich in Paris als Gegenpol zu geometrischen Abstraktion ab 1946 heraus. Die wichtigsten Vertreter waren Wols (Otto Wolfgang Schulz), Jean Fautrier und Hans Hartung, die von Kandinsky und Klee beeinflusst wurden.
Diese Manier, bzw. dieser Stil bildete sich in Paris als Gegenpol zu geometrischen Abstraktion ab 1946 heraus. Die wichtigsten Vertreter waren Wols (Otto Wolfgang Schulz), Jean Fautrier und Hans Hartung, die von Kandinsky und Klee beeinflusst wurden.
Jean Fautrier, paysage 1955, (Ausstellung Musée d‘Art Moderne de la ville de Paris 2018)
„Die
im Wachen träumen, haben Kenntnis von tausend Dingen, die jenen entgehen, die
nur im Schlaf träumen“
(Wols
,von Poe inspiriert) .*
* (Fälschlich zugeschrieben, WOLS. Die Aphorismen. Herausgegeben von Hans-Joachim Petersen. München 2010, S. 20 Nr. 29 .. Auch schon in "Jahresring" 1966/67, S. 406 . Zwar fand sich unter den winzigen Zetteln, auf denen Wols sich kurze Texte in Französisch notierte und die er immer bei sich trug, nach seinem Tod einer mit dem Satz: "Ceux qui rêvent éveillés ont connaissance de mille choses, qui échappent à ceux qui ne rêvent qu'endormis." Dieser Satz wurde jedoch schon 1973 von Werner Haftmann als Zitat erkannt (Austellungskatalog Nationalgalerie Westberlin, S. 9 .). Er stammt aus Baudelaires Übersetzung von Poes Erzählung "Eleonora" (Paris 1869, p. 423 . und lautet im englischen Original: "They who dream by day are cognizant of many things which escape those who dream only by night.)
Sans titre ([1943]) Ausstellung « histoires Naturelles » bis 18.5.2020 im Centre Pompidou Paris
„Je
tiefer wir in uns selbst eindringen, ein je klareres und zwingenderes Bild
unserer innersten Schichten wir geben können, je allgemeingültiger wird unsere
Aussage sein“.
(Hans Hartung)
(Zeitonline Französische abstrakte Malerei,
W.Haftmann1949/07S.2)
Wilhem Nay und Theodor Werner und in einer jüngeren Generation Hann Trier, Fred Thieler, Hans Trökes und Emil Schumacher sind u.a. ebenfalls der informellen Kunst zuzurechnen.
Anknüpfend an diese abstrakten Maler hat Henkel einen völlig eigenständigen Weg eingeschlagen durch den auf die Leinwand gemalten farbintensiven tiefenräumlichen Ausdruck seiner Persönlichkeit, die im Sinne Pollocks weder einen Anfang noch ein Ende kennt und damit die Wirklichkeit transzendierend dem Traum der Menschheit folgt, sich in jeder Sekunde eines ephemeren Daseins in der Unendlichkeit zu verankern.
Wilhem Nay und Theodor Werner und in einer jüngeren Generation Hann Trier, Fred Thieler, Hans Trökes und Emil Schumacher sind u.a. ebenfalls der informellen Kunst zuzurechnen.
Anknüpfend an diese abstrakten Maler hat Henkel einen völlig eigenständigen Weg eingeschlagen durch den auf die Leinwand gemalten farbintensiven tiefenräumlichen Ausdruck seiner Persönlichkeit, die im Sinne Pollocks weder einen Anfang noch ein Ende kennt und damit die Wirklichkeit transzendierend dem Traum der Menschheit folgt, sich in jeder Sekunde eines ephemeren Daseins in der Unendlichkeit zu verankern.
« Künstlerisch gehört
er zur Aktionsmalerei. Das heißt Henkel lässt sich nicht mehr zur klassischen
Generation der Tachisten und Informellen
rechnen. Er hat vielmehr dort angesetzt, wo sie aufgehört haben. Das
eigentliche Problem der vollabstrakten Nachkriegsmalerei war, Spontanität mit intellektueller Kontrolle in Einklang zu bringen. Was von diesem Impuls
übriggeblieben ist, hat er in einen neuen Zusammenhang gebracht- er ist
derjenige Berliner Maler, der den von Pollock und de Kooning, in Berlin von
Thieler und Trier entfachten Stil, das Freiheits-Prinzip der Unabhängigkeit von
der bloßen sichtbaren Erscheinung, am unabhängigsten fortführt. »
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