Ubersetzung

Kontemplation


Manfred Henkel Kunst in und aus der Kontemplation




Johannes von Patmos, Hieronymus Bosch, Gemäldegalerie Berlin


Kontemplation verändert Menschen und kontemplative Menschen verändern die Welt.
(H.Geiselhart, „Kontemplation“Philosophie und Führung, Wiesbaden 2012)

Das lateinische contemplatio ist eine Synthese aus con (gemeinsam,mit) und templum (dem heiligen Ort oder Raum Gottes)

Unter Kontemplation versteht man ein konzentriertes, beschauliches Nachdenken, ein Sich-Versenken und eine innere Sammlung. Sie schließt  parallel und ergänzend zum logischen Denken die existentiellen Tiefen der Persönlichkeit auf,  weckt die intuitiven Fähigkeiten und führt die denkerischen Kräfte zu besonderer Entfaltung.

Die Kontemplation als ein ideales reines Schauen, ist von fundamentaler Bedeutung für die Mystik. Dabei geht es nicht um die Abwendung  von der Schöpfung , sondern im Gegenteil ein ihr neu zugewendetes , gereinigtes Neu-sehen.

Dante stellt die Kontemplation , das Schauen noch über die Liebe , in dem Sinne, dass man erst durch das Gottesschauen zu tieferer Gottesliebe und –erfahrung gelangen kann.

Durch Schauen wird also Seligkeit errungen,

nicht durch Liebe; die folgt erst dann,

wenn sie dem Schauen, als ihrem Quell , entsprungen.

Und das Verdienst, das man durch Gnad

Und Güt erwirbt, ist Mass dem Schauen.

So steiget man von Grad zu Grad hinan.

(Dante, Göttliche Komödie, das  Paradies, 28. Gesang)

Das Werk Henkels ist weltzugewandt von den großen Mystikern des Abendlandes durchdrungen.

Sehen als metaphysische Erfahrung und ein Appell zum „aktiven Sehen“: Henkels Bilder sollen zu einer größeren Selbst-,Welt- und Gotteserfahrung führen, wie er es selbst formulierte:

Die Tiefe suggeriert tiefenräumliche Erlebnisse. Die Tiefe erscheint also dadurch, dass man immer Neues hinter den Dingen entdeckt , und sie regen nun an, dieses Hinter-den-Dingen nicht nur optisch zu entdecken, sondern visionär, d.h. auch tiefenräumlich ins eigene Innere zu steigen und tiefenräumlich alles,  den gegenüberliegenden Menschen anzugucken und tiefenräumlich alles, was auf  der Welt vorhanden ist, von der gemachten, technisch gemachten bis zur gewachsenen kreatürlichen Welt-, alles in diesem tiefenräumlichen, nennen wir es mal: übersteigerten aktiven Sehen, sehen zu können .
(Ausschnitt aus einem Rundfunkinterview mit Dr. Biewald, SFB 1984, in :Katalog zur Ausstellung in der staatlichen Kunsthalle 1985,, Manfred Henkel, Colloquium Verlag, Berlin Staatliche Kunsthalle,S.27, anzuhören in der Rubrik Filme/Radioaufnahmen auf dieser webside)
(Siehe auch Dr.Lucie Schauer, Erläuterungen zum Werk, Ansprache 1985, Kunsthalle Berlin, in:
Katalog, zu den Austellungen in Pforzheim und Göttingen 1990,hrsg. Von CDU Bundestagsfraktion, S. 34 und ebendort Hermann Wiesler „15 Jahre später“, S.41)


In Folgendem eine kleine Auswahl von Auszügen , von den Mystikern, die für Henkels Sein und Schaffen  besonders wichtig waren


Meister Eckhart

Wie Gott unmäßig ist im Geben,
so ist auch die Seele unmäßig
im Nehmen oder Empfangen.
und wie Gott allmächtig ist im Wirken,
so ist die Seele abgrundtief im Empfangen.

 
  

Hildegard von Bingen


Miniatur aus dem so genannten Lucca-Codex des Liber divinorum operum: Hildegard am Schreibpult, um 1220/1230, Biblioteca Statale in Lucca



Die Schöpfung im Ursprung

Oh edelstes Grün

Du wurzelst in der Sonne,

strahlst auf in leuchtender Helle

in einem Kreislauf,

den kein irdisches Sinnen begreift:

Du bist umfangen

Von den Umarmungen der Geheimnisse Gottes.

Du schimmerst auf wie das Morgenrot,

du glühst in der Sonne Flammen.

(Carmina 39)

(Carmina 39, Hildegard von Bingen)zitieert nach: Hildegard von Bingen, Mystische Texte der Gotteserfahrung,, hrsg. Von Heinrich Shipperges, Freiburg im Breisgau, 1978, S.139)

 
 
O Kraft der Weisheit

Du umkreist allen Kreislauf

Umfassend das All,

auf einer Bahn, die das Leben hat.

Drei Flügel hast du:

Der eine schwingt hoch in die Höhe,

der andere keimt aus der Erde,

der dritte schwingt sich, all überall.

Lob dir, alle Würde des Lobpreises,

O Weisheit. (Carmina 59)
(Carmina 39, Hildegard von Bingen)zitieert nach: Hildegard von Bingen, Mystische Texte der Gotteserfahrung,, hrsg. Von Heinrich Shipperges, Freiburg im Breisgau, 1978, S.4)


Katarina von Siena





















Giovanni di Paolo, 1460, Metropolitan Museum of Art, die mystische Hochzeit der Katarina von Sienna,Tempara auf Gold und Holz




Im Lichte des Glaubens

hoffe ich.

Das lässt mich

nicht schwach werden

auf meinem Lebensweg.

Im Lichte des Glaubens

bin ich stark,

standhaft und beharrlich.



Warte nicht auf eine spätere, gelegenere Zeit, denn du bist nicht sicher, daß du sie haben wirst. Die Zeit entschwindet dir unvermerkt. Mancher hat sich noch Hoffnung auf ein längeres Leben gemacht, da kam der Tod. Darum versäumt, wer klug ist, keine Zeit und gibt die gegenwärtige Stunde, die ihm gehört, nicht unbenützt weg für eine andere, die doch nicht sein eigen ist.
 

Nikolaus von Kues
 


















Nikolaus von Kues. Zeitgenössisches Stifterbild vom Hochaltar der Kapelle des St.-Nikolaus-Hospitals, Bernkastel-Kues

Denn die Ewigkeit kann sich nur in zeitlicher Form offenbaren, wie die Schönheit in sichtbarer Weise.

(in: Klassiker der Medi,tation, Nikolaus von Kues, Aller Dinge Einheit ist Gott, Benzinger Verlag, Zürich 1984, Hrsg. Gerd Heinz-MohrS.116)


Der Schaffende

Denn nichts veranlasste den Schöpfer, dieses Weltall, das schönste Werk zu errichten als nur sein Lobpreis und seine Herrlichkeit, die er zeigen wollte. So ist er selbst , der auch der Ursprung ist der Zweck der Schöpfung. Und weil jeder König ohne Lobpreis und Herrlichkeit unerkannt ist, wollte der Schöpfer aller Dinge erkannt werden, damit er seine Herrlichkeit zeigen könne. Darum schuf er, der erkannt werden wollte, die vernünftige Natur, welche der Erkenntnis fähig ist.


So wie er also der Zweck der vernünftigen Natur ist, so ist auch eben die vernünftige Natur der Zweck aller sinnlichen  und niederen Natur. So ist alles Sichtbare, das Elementare und das Vegetative, mit dem Sinnlichen verknüpft und jedes Sinnliche mit dem Menschen als seinem Zwecke. Denn im Menschen ist das leibliche Leben eingeordnet in das geistige, welches allein zur Erkenntnis der Herrlichkeit und zum Lobpreis befähigt, ohne die allem Sinnlichen der Zweck fehlen würde.


(ebendort, S.66)


Drei Dinge muss der rechte Mensch an sich haben: des Herzens Milde, des Mundes Wahrhaftigkeit und im Werke die Gerechtigkeit. (ebendort, S.108)


Teresa von Avila




















Gemälde von Bruder Juan de la Miseria, Karmelitinnenkloster Sevilla, 16.Jahrhundert)

 

Nichts soll dich verstören,


Nichts soll dich erschrecken,


alles vergeht,


Gott ändert sich nicht.

Geduld

erlangt alles;

wer Gott hat,

dem fehlt nichts:

Gott nur genügt allein.                                                                       








 

 

 







(karmelocd.de/geschichte-und-spiritualitaet/gott nur genuegt.com)


Die „Wohnungen der inneren Burg“
Weil ich weder wusste, wie das mir aufgetragene Werk beginnen, noch überhaupt, was ich sagen sollte, bat ich inständig unseren Herrn, dass Er durch mich sprechen möge. Da fiel mir ein guter Ausgangspunkt ein, nämlich dass wir uns die Seele vorstellen können als eine kristallene oder diamantene Burg mit vielen Gemächern, so wie auch der Himmel viele Wohnungen hat. (…)

Wenn ich hier auch nur von sieben Wohnungen spreche, umfasst eine jede doch deren viele, unten und oben und an den Seiten, mit wunderschönen Gärten und Brunnen und verschlungenen Wegen, so zauberhaft, dass ihr am liebsten vergehen würdet in Lobpreisungen des großen Gottes, der dieses nach seinem Bilde und Gleichnis geschaffen hat. (…)

Ganz in der Mitte der Burg aber, in ihrem Zentrum, liegt die Wohnung, auf die alles ankommt, und wo geheimnisvolle Dinge zwischen Gott und der Seele geschehen.
Wir müssen sehen, wie wir hineingelangen können. Es scheint, als rede ich hier Unsinn. Denn wenn die Burg die Seele ist, so kann man doch nicht hineingehen, man ist sie ja selbst. Ebenso sinnlos wäre es, jemandem zu sagen, er möge ein Zimmer betreten, in dem er sich schon befindet.
Aber hier müsst ihr den Unterschied erkennen zwischen Sein und Innesein. Denn viele Seelen umrunden die Burg draußen auf dem Wehrgang, wo die Wachen die Tore schützen. Sie wollen auch gar nicht hinein, denn sie erkennen nicht den Wert des Ortes, wissen nicht, wer darin wohnt und welche Gemächer die Burg birgt. Ihr werdet in Büchern, die zum Gebet anleiten, schon den Rat gefunden haben, die Seele möge sich nach innen wenden. Das eben ist hier gemeint.
Teresa von Avila, Die innere Burg, in: Erika Lorenz, Der nahe Gott, Freiburg/Br. 1985  abgedruckt in: Kontemplation.at)


 
 
Johannes von Kreuz









 











(Spanien Ende 17.Jahrhunderts,anonymer Maler)


Gegenwart Gottes
Gott kann in der menschlichen Seele auf drei verschiedene Weisen gegenwärtig sein. Die erste ist die wesentliche, die nicht nur in guten und heiligen Menschen vorhanden ist, sondern auch in den schlechten, sündigen und in allen anderen Lebewesen. Durch diese seine heilige Gegenwart gibt Er allem Sein und Leben. Wenn das nicht so wäre, würde alles zu sein aufhören. In dieser Weise ist Gott stets in jeder Seele gegenwärtig.

Eine zweite Weise der heiligen Gegenwart Gottes in der Seele ereignet sich durch
 
Gnade. In dieser Seele wohnt Gott gerne und freudig. Doch diese Art des Gegenwärtigseins Gottes besitzen nicht alle Menschen …

Und dann gibt es noch eine dritte Einwohnung Gottes im Menschen, nämlich die der geistigen Zuneigung durch Liebe. Gott schenkt in ihr den vielen sich Ihm vollkommen hingebenden Menschen seine geistige Gegenwart in solcher Weise, dass er sie erquickt, entzückt und erfreut.

Diese wie alle anderen Weisen der heiligen Gegenwart und Einwohnung Gottes sind und bleiben verborgen. Denn Gott kann sich uns 
nicht zeigen, wie Er in seiner Herrlichkeit ist, da die Verfassung unseres Erdenseins dies nicht ertragen könnte …

Und trotzdem hat der Mensch immer wieder die große Sehnsucht, Gott möge nicht nur auf natürliche, geistige oder liebeerfüllende Weise verhüllt in ihm weilen, sondern sich ihm unverhüllt offenbaren, damit er sein Göttliches Sein begreifen und Seine Schönheit sehen kann. Denn wie Gott durch sein heiliges Gegenwärtigsein in der Seele das natürliche Leben verleiht und sie dazu noch mit seiner Gnadengegenwart vervollkommnen will, so möge Er sie umhüllen mit seiner sich offenbarenden Herrlichkeit.
( Johannes von Kreuz Der geistliche Gesang, 11, abgedruckt in :kontemplation.at)





 
 
 
 










Edith Stein




der Ort der Freiheit

Das Innerste der Seele ist ein Gefäss; in das der Geist Gottes(das Gnadenleben) einströmt, wenn sie sich ihm kraft ihrer Freiheit öffnet. Und Gottes Geist ist Sinn und Kraft. Er gibt der Seele neues Leben und befähigt sie zu Leistungen,denen sie ihrer Natur nach nicht gewachsen wäre, und er weist zugleich ihrem Tun die Richtung. Im Grunde ist jede sinnvolle Forderung, die mit verpflichtender Kraft vor die Seele tritt, ein Wort Gottes. Es gibt ja keinen Sinn, der nicht im Logos seine ewige Heimat hätte. Und wer ein solches Wort Gottes bereitwillig in sich aufnimmt, der empfängt eben damit die göttliche Kraft, ihm zu entsprechen. Jeder Zuwachs an Gnade ist aber auch eine Stärkung des geistigen Seines und erschliesst der Seele ein reicheres und feineres Verständnis für das göttliche Wort,für den übernatürlichen Sinn, der aus allem Geschehen spricht und der sich auch als "Einsprechung" in ihrem Inneren vernehmlich macht. Darum ist die Seele, die sich kraft ihrer Freiheit auf den Geist Gottes oder auf das Gnadenleben stützt, zu einer vollständigen Erneuerung und Umwandlung fähig.

(EES 408-409, zitiert nach Edith Stein, Im verschlossenen Garten der Seele, ausgewählt und eingeleitet von Andres E.Bejas, Freiburg im Breisgau 1987, S.98; Herderbücherei "Texte zum Nachdenken" , Band 56

alle echte Kunst ist Offenbarung

Es ist dem Künstler eigen, dass das, was ihn innerlich berührt, sich in ihm zum Bild gestaltet und auch von ihm nach aussen gestaltet zu werden verlangt. Bild ist hier nicht auf den Bereich des Anschaulichen und der bildenden Kunst beschränkt, es ist jegliches künstlerische Gebilde darunter zu verstehen, auch das dichterische und musikalische. Es ist zugleich Bild, in dem etwas zur Darstellung kommt, und Gebilde als ein Gebildetes und in sich Geschlossenes, zu einer kleinen Welt gerundetes.
Jedes echte Kunstwerk ist überdies Sinnbild, gleichgültig, ob es das nach der Absicht des Künstlers sein soll oder nicht, ob er Naturalist oder Symbolist ist. Sinnbild, d.h. es ist aus der unendlichen Fülle des Sinnes, in die jede menschliche Erkenntnis vorstösst, etwas darin erfasst und ausgesprochen und spricht daraus; und zwar so, dass die gesamte Sinnfülle, die für alle menschliche Erkenntnis unerschöpflich ist , geheimnisvoll darin anklingt. So verstanden ist alle echte Kunst Offenbarung und alles Künstlerische Schaffen heiliger Dienst. 

(ebenda S. 72)


Liebe

Liebe ist Leben in der höchsten Vollendung: Sein, das sich ewig hingibt, ohne eine Verminderung zu erfahren, unendliche Fruchtbarkeit. 

(EES 386, ebenda S. 85)

Dass die Seele Gott aufnimmt, das heisst vielmehr, dass sie sich ihm frei öffnet und hingibt zu jener Vereinigung, wie sie nur zwischen geistigen Personen möglich ist. Es ist dies eine liebende Vereinigung: Gott ist die Liebe, und der Anteil am göttlichen Sein, den die Vereinigung gewährt, muss ein Mitlieben sein. Gott ist die Fülle der Liebe. Geschaffene Geister aber sind nicht fähig, die ganze
Fülle der götlichen Liebe in sich aufzunehmen und mitzuvollziehen. Ihr Anteil bemisst sich nach dem Mass ihres Seins, und das bedeutet nicht nur ein "Soviel", sondern auch ein "so": die Liebe trägt den Stempel der persönlichen Eigenart. Und das macht es wiederum verständlich, dass Gott sich in jeder Menschenseele eine "eigene"Wohnung geschaffen haben mag, damit die göttliche Liebesfülle durch die Mannigfaltigkeit verschiedengearteter Seelen einen weiteren Spielraum für ihre Mitteilung fände.

(EES,462; ebenda S.50)






                                               Italienische Schule, 18.Jahhundert


Keine Kommentare: