Ubersetzung

Henkel über sein Werk


Etwas zu meinen Bildern


Wenn meine Bilder bis zu einem gewissen Stadium gebracht worden sind, von wo aus sie selbst weiterexistieren müssen, dann zeugen sie von einer Welt, in der nichts abgeschlossen, be-grenzt und ausschnitthaft ist, sondern alles im Entstehen.
Sie fordern den Betrachter zum freien Gebrauch der eigenen Seelenkräfte auf und sagen: Gehorche nicht, wenn Du kannst- Wenn Du nicht muBt- sei kein Herdentier. 
Nutze die kurze Lebenszeit zur  Suche nach der Dir eigenen Glückseligkeit.
Die hier zu Wort gekommenen Empfehlungen existieren im Bild als Farbe, als Rythmus als aufgerissene Oberfläche, Blick in die Weite oder Tiefe einer entstehenden Welt als Lobgesang.
Meine Bilder sind kompliziert im Aufbau, sind aber unmittelbar sinnlich zu erfassen wie Sonnenuntergänge.
Ebenso wie sie brauchen sie wechselndes Licht und unterschiedliche Gestimmtheit des Betrachters.
Wenn oben von Empfehlungen oder Lobgesang die Rede war, sollte man an Rubens oder Wols denken, die eine sich wandelnde komplexe Natur in ihren Werken priesen und nicht das Elend durch gemaltes Elend vermehrten.
Um MiBverständnissen etwas vorzubeugen, es ist kein Gegensatz zwischen Innerlichkeit und AuBenorientiertheit in meiner Sicht der Dinge, es gibt da nur Glanz, ein einheitliches Ganzes, das in ständiger Veränderung ist und dem dienen meine Bilder. Es wird immer behauptet, die Formfragen des Barock bewegten sich zwischen Zügellosigkelt und MaB, ich weise anknüpfend an historische Probleme in meinen Bildern  auf eine Einheit hin, in der nach diesen Polen nicht mehr gefragt werden darf. Durchdringung des Weltganzen, nicht analysieren, Überlagerung aller bisher bekannten räumlichen Systeme und Gefüge aus Farbe.
Zügellosigkeit ist ein schwacher Ausdruck gemessen an den Erfordernissen
für Vorgänge, die Durchdringung heiBen.
Das Tanzen bei den Naturvölkern war wohl so ein Einpendeln der eigenen Person in einen totalen Zusammenhang, jedoch fehlte die europäisch willensbetonte Richtungskomponente, von der ich im vermeintlichen Automatismus des Malens nicht lassen will.
Man muss als Maler auBerordentlich schöne Bilder im eigenen Schaffen
immer und immer wieder zerstören, weil die Zeit zum einfachen
Ja-Sagen für Menschen niemals kommen  wird - alles bleibt Wandel, im Übergang.
Ich male meine Bilder mit der Vorstellung, den Betrachter aus den Verhärtungen des Denkens, der Schlagzeilen und den primitiven Räumen und Tatsachenbezügen herauszuleiten, nicht zuletzt mich selber.
Die Bilder verlassen die Oberflächengags der Dingwelt, sie weisen in weiterführende geistige Räume.
Um nur eine Quelle der geistigen Bewegung zu nennen: die Sehgewohnheiten einer Konstruktion des Lastens und Stützens und der linear-perspektivischen Tiefe werden überführt in ein schwebendes Sehen, in ein dem Auge eher Nebeneinander und IneinanderflieBen von räumlichen Flecken und Systemen.
Zurück zu meinen Bildern. Auch hier gibt es eine Basis aus überlieferten Bildvorstellungen, aber durch die gleichzeitige Verwendung zahlreicher Konstuktionsprinzipien in einem Bild entsteht für den Betrachter bei unterschiedlicher Gestimmtheit und unterschiedlicher
Beleuchtung ein Weg zur Ewigkeit in der Zeit.
Die verhärteten Vorstellungen im Menschen werden aufgebrochen, seine abgestumpften, auf Sicherheit gewendeten Kategorien werden hier mit neuen Mitteln in neueren Bahnen auf die geistige Welt gelenkt.
 



(1977)

Der wesentliche Gegenstand meiner Bilder ist das Licht



Der Bildraum in der Fläche, aus diesem Paradoxon lebt die Malerei, so gesehen der Mathematik verwandt, muss sie immer wieder als Lichtbringer neu geordnet werden. Sollte man es einfach und anschaulich sagen können? Vielleicht wird ein neuer Naturalismus daraus:

Der wesentliche Gegenstand meiner Bilder ist das Licht.

Das Licht der Frühe und der Dämmerung,

Das Licht des Tages und der Nacht,

Das Licht zwischen Blättern, Ästen und Bäumen,

Das Licht auf dem Wasser und zwischen den Schiffen,

Das innere Licht und das äussere Licht,

Das Licht der Morgenröte und das Abendlicht,

Das struppige Licht,

Das abweisende kühle Licht,

Das entgegenkommende Licht,

Das Licht zwischen Himmel und Erde,

Das Licht als Jakobsleiter,

Das Licht in der Finsternis,

und das Dunkel als Licht.




Einige Erfahrungen im Umgang mit der zu klärenden Bildfläche

 
Ob wir uns in eine archaische griechische Skulptur, eine frühmittelalterliche Ikone, eine gotische Gewändefigur versenken, ob wir ein Bild Tintorettos, Rubens', Watteaus oder des späten Monets betrachten, es ist immer das der Bildfläche anverwandelte Licht oder die Skulptur modellierende Licht, das uns die Botschaft der Werke ins eigene Seelenleben leitet.

In der uns bekannten Kunstgeschichte der Malerei des Abendlandes lässt sich feststellen, dass ein immer neuer Aufschwung versucht worden ist, das Licht aus der dienenden Formen beschreibenden Funktion zu befreien, um es selbst zum ersten und wesentlichen Bildgegenstand zu machen.-

Das Verweltlichen, Vergegenständlichen einerseits und der immer neue Aufschwung zur klärenden Abstraktion und tiefer Geistigkeit innerhalb von Geschichte und Philosophie ist dem vergleichbar.

Betrachten wir aber neben kunstgeschichtlichem Auf und Ab in der Malerei, hier Verdinglichung und Schlacke, dort Aufschwung und Erleuchtung, ein paar Einzelentwicklungen: Ging es dem jungen Tizian noch um kräftig modellierte Gestalten im vornehmlicher Vertikalkomposition, so konzentriert sich der späte Tizian ganz auf den Gegenstand: Licht. Figuren werden aufgelöst, die Schönfarbigkeit tritt zurück, eleptoide Farb-und Lichträume entstehen.

Der junge Rembrandt, beflügelt durch die Auseinandersetzung mit Rubens, malt kleine unerhört dicht dingliche Bilder. Der späte Rembrandt hat sich dem Licht-thema seiner Malerei völlig geistig anverwandelt, so dass neben den Landschaften als Symbole für die ganze Schöpfung auch die Figurenbilder einer geistigen Lichtregie folgen, die unmittelbar in die Ewigkeit verweisen.-

Bei Watteau und dem späten Monet der Nymphias, der großen Seerosenbilder, will ich mich nicht aufhalten. Es ist zu offensichtlich, wie hier die Engel dabei waren, als das Licht zum Generalthema wurde.

Noch ein letzter Blick auf große Maler des Elends dieser Welt. Henri Toulouse-Lautrec malte in seine späten Bildern die geschundene Dirne von Licht erlöst, nicht nur zur Magdalena, bis zur Jungfrau erhoben, und Vincent van Gogh malte die abgearbeiteten und auch stumpf gewordenen Leute aus dichten Licht-und Strahlenflocken.

Alle diese Beispiele beziehen sich auf das Medium Bildfläche-Farbsprache, das ohne immer neue Erfindungen und Erinnerung an vergangenen Zeiten der Malerei nicht auskommen kann, um zu wachsen und mit Leben erfüllt zu bleiben.
Und: Licht als treffendes Symbol ist unter allem Materiellen das am wenigsten Materielle, dringt überall hin mit fast unglaublicher Schnelligkeit, um belebend und verklärend zu wirken.

(1983)
Liebe und  Lobpreis

Dostojewski, im Buch "Die Brüder Karamasoff" spricht der Mönch Sossima

Liebe die ganze Schöpfung und jedes Sandkorn darin. Liebe jedes Blatt, liebe jeden Strahl von Gottes Licht. Wenn Du alles liebst, wirst Du das göttliche Geheimnis der Dinge gewahr werden. Das meint nicht nur die Dinge unserer kleinen Welt hier, sondern ebenso gut das Geheimnis anderer Welten, des gesamten Universums. Denn was wächst, lebt und ist lebendig allein durch das Gefühl seiner Berührung mit anderen Geheimnissen.

Sankt Hildegard von Bingen

Hieraus lerne, dass Deine Werke des Glanzes der Liebe nicht entbehren sollen. Erfülle sie aber auch mit Klugheit, damit ein jeder vernünftig sei.

Immer spricht die heilige Hildegard von Licht. Es ist die Sehnsucht eines Geschlechts, das in Finsternis und Todesschatten wandert, umgeben von Rätseln und Geheimnissen. Im Hymnengesang, in welchen alle Gläubigen zusammenstimmen, ist Licht Ausdruck des schöpferischen Gottesgeistes.
Gott schied das Licht von der Finsternis, es wurde unter allem Materiellen das am wenigsten Materielle: es wirkt schnell, belebend und verklärend.

Licht ist geistiges Leben, im Lichte der Vernunft. Das Licht, die Sonne siegt über die Nacht. Als Gott sprach: Es werde Licht, da entstand das Licht der Vernunft, die Engel, die Gott die Treue hielten. Es war nicht das Licht der Sonne, da die Sonne noch nicht war. Es ist der nie aufhörende Tag, das Licht der geistigen Klarheit, das nie endet.

In der Kosmos-Schrift der heiligen Hildegard sind erklärende Hymnen enthalten zum Thema Licht, das immer Licht des Geistes, Abglanz göttlichen Geistes ist.

Dieses Licht des Geistes einzufangen und zurückzustrahlen war immer der Gipfel der Künste, ihr wesentlicher Zweck ist der Hymnus, der Lobpreis.
 

(1983, Gedanken zur geplanten Malerei und Neugestaltung von Sankt Michael in Göttingen, nicht ausgeführt, im persönlichen Nachlass)










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